Unser Quartier

Unser Quartier

Von den Abrißplänen aktuell und desweiteren betroffen:

Quäkerstrasse 1,3,5,7,9 (aktuell).
Weitere „Maßnahmen“ sind in Folge angekündigt für:
Quäkerstrasse 10, 12 / Adalbert-Stifter-Str. 20 – 42 / Dreikönigstr. 58 / Türkenlouisstrasse 49 – 61 / Roseggerstrasse 1-17 (ungerade) / Gerwigplatz 5, 7 und Geschäfte / Prinz-Eugen-Strasse 19, 21, 23

Karte der betroffenen „Wohneinheiten“ (pdf)

Fotos: Monika Modrow

Gedanken zur Wohnsiedlung zwischen den beiden Wiehrebahnhöfen in Freiburg

Eigentümer: Familienheim Freiburg Baugenossenschaft e.G.

Ist-Zustand:

Die Siedlung umfasst mehrere Mehrfamilienhäuser an verschiedenen Straßen im Bereich der Oberwiehre, zwischen dem alten Bahnhof der Wiehre und der Bahnlinie von Freiburg nach Neustadt. Die zahlreichen Wohnungen sind bewohnt von Menschen aus allen Altersschichten. Durch die für Freiburger Verhältnisse günstigen Mieten, bieten sie gerade für Familien und Personen mit schwächerem Einkommen Wohnraum zum Leben. Durch die unterschiedlichen sozialen Verhältnisse findet im Wohngebiet eine Durchmischung der Gesellschaft statt, die sich auf das tägliche Miteinander und eine gegenseitige Balance positiv auswirkt.

Fotos: Frauke Stablo

Architektonisch zeigt die Siedlung ein typisches Abbild der Bauweise etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts, mit einfachen zweckmäßig strukturierten Wohneinheiten, die in langgezogenen Gebäuden mit mehreren Treppenhäusern über mehrere Etagen erschlossen sind. Zwischen den Gebäuden ergeben sich Grünflächen mit einem alten Baumbestand, die zur Erholung und als Treffpunkt der Bewohner dienen. Für Mehrfamilienhäuser in der heutigen Zeit eher selten, kann man hier ein ausgewogenes Verhältnis der Bebauung und seiner Dichte zur Grünfläche drumherum erkennen. Dies führt dazu, dass die Atmosphäre des Stadtteils in der Siedlung spürbar ist und eine besondere Qualität bietet.

Die Siedlung bietet mit ihrer straßenseitig, bündigen Anordnung eine klare Struktur, die insbesondere in der Adalbert Stifter Straße, zusammen mit den inzwischen privatisierten Mehrfamilienhäusern den kulturellen Einrichtungen (alter Bahnhof), dem Kindergarten und den Spielflächen einen Rahmen bietet und ein Pendant zur Bebauung in der Urachstrasse darstellt. (Eine Veränderung dieser Struktur würde Einfluss nehmen auf die örtliche Qualität der verschiedenen Einrichtungen und Plätze.)

Fotos: Dr. Ullrich Oberdiek

Wer profitiert von einer Entwicklung, die einen möglichen Abriss der Gebäude vorsähe, um dann eine neue Siedlung in der Wiehre zu bauen?

Wie bei allen Entscheidungen, die von Entscheidungsträgern und in der Politik getroffen werden, benötigt es Interessengruppen, die eine Gesetzgebung und Entscheidungen vorbereiten, befürworten und fordern. Zum überwiegenden Teil dienen diese Entscheidungen einzelnen Personen, Berufsgruppen, Firmen und Verbänden, die sich in der Folge dieser Vorgänge Geldeinnahmen generieren und sich Vorteile verschaffen. In Bausachen sind dies Investoren, Bauträger, Makler, Banken, Handwerker, Energieversorger, die Industrie etc.

Fotos: NN

Wer heute daran glaubt, dass ein Wohngebiet abgerissen werden soll, um den Bewohnern etwas Gutes zu tun, der muss sich nur die Entwicklung an vergleichbaren Objekten und Vorhaben anschauen und kann die Folgen für die Menschen daran ablesen.

Fotos: Clark Urbans

Was passiert mit den Menschen, die in Häusern wohnen, die abgerissen werden sollen?

Es ist naheliegend, dass der Wohnraum, gerade in Freiburg sehr knapp ist. Dadurch ist die Nachfrage nach Wohnungen sehr hoch. Dies lässt die Mietpreise steigen und macht eine bezahlbare Wohnung für Geringverdiener, mittlerweile auch für Normal-verdiener zum Luxusgut.
Wer heute in Freiburg nach Wohnungen sucht, wird feststellen, dass die Suche ganz entscheidend abhängig ist von der Lage der Wohnung, aber auch von den eigenen finanziellen Möglichkeiten. Bei mehreren Bewerbern ist es heute üblich, dass die finanzielle Situation und der Beruf, für die Auswahl entscheidend sind. Sozial schwache Menschen, Familien mit Kindern, die sich keine 14 Euro/qm Miete (marktspezifischer Wert) oder mehr, zuzüglich Nebenkosten und Pauschalen für den Hausmeister leisten können, müssen oftmals in Randgebiete der Stadt bzw. auf Vororte ausweichen.

Fotos: Atit Barbara Betzner

Welche Qualitäten bietet ein Neubau gegenüber dem Altbau?

Gerade in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Bautätigkeit insgesamt sehr beeinflusst durch die Gesetzgebung und dem Anspruch Energie einzusparen. (Energie zum betreiben und beheizen von Wohngebäuden). Es wurden mehrere Gesetze und Verordnungen zur Energieeinsparung von der Politik beschlossen, die dann auf dem Bausektor zu Veränderungen bei der Herstellung von Gebäuden führten.
Bei der engeren Betrachtung und der Beobachtung der Bauaktivitäten in Freiburg, sieht man, dass eine großer Anteil der neuen Mehrfamilienhäuser aus reinen Betonkonstruktionen bestehen, die dann mit Dämmung und einer Dreifachverglasung versehen, den offensichtlich geforderten Rechenwert der Wärmeschutzverordnung einhalten. Kaum jemand macht sich Gedanken, dass teilweise die dafür verwendeten Dämmstoffe, wie zum Beispiel geschäumte Stoffe (das Styropor) als Dämmung für eine Fassade, konstruktiv eine weitaus niedrigere Haltbarkeit besitzt, als es ein mineralischer Putz auf einem Mauerwerk bietet, welcher weit über 100 Jahre halten kann. Der Einsatz dieser Dämmstoffe, welche in Kombination mit der Konstruktion auch bauphysikalisch und raumklimatisch bedenklich ist, im Brandverhalten giftige Rauchgase hervorbringt (siehe das Hochhaus in London), ist zeitlich begrenzt, da der Aufbau nach schon mehreren Jahrzehnten erneuert und ersetzt werden muss. Die Entsorgung dieser Dämmungen und der Klebematerialien ist nur als Sondermüll möglich. Eine erneute Herstellung, Erneuerung der Konstruktion widerspricht dem Ansatz der Energieeinsparung und belastet zudem die Umwelt. (Es gibt eine Vielzahl von heute verwendeten Bautechniken und Standards, die in punkto Nachhaltigkeit mehr als fragwürdig sind und hier der Umfänglichkeit wegen, nicht aufgeführt werden)
Betrachtet man die Aufwendungen und den Energieeinsatz zur Herstellung eines neuen Hauses, die Produktion der Materialien, den Aufwand zur Erreichung der geforderten Dämmwerte, die Kosten für spätere Sanierungen, wie die Erneuerungen der Dämmungen und der Haustechnik, die Belastungen für die Umwelt, sowie die Nachteile für den Bewohner (Raumklima, Bauphysik etc.), ……..im Vergleich zu einem Energieverbrauch im Bestandsgebäude, welcher unter Umstände durch sinnvolle Maßnahmen in der Heiztechnik noch verbessert werden kann und sowieso durch die Nebenkosten vom Mieter getragen wird, …… dann erscheint es mehr als fraglich, dass politisch ein Abriss der Gebäude im Sinne und Interesse des Menschen (Bewohners und Mieters), der Natur, der Energieeinsparung, befürwortet wird.

Wer trägt die Kosten im Altbau?

Durch die Umlage der Energiekosten es so, dass die Verbrauchskosten für Heizung und warmes Wasser durch den Mieter getragen werden. Dies wäre im Neubau auch so. Wenn nun z.B. die Häuser erhalten blieben und man durch gezielte Maßnahmen (Heiztechnik auf dem neuesten Stand) den Verbrauch verringern könnte, dann wäre der Mieter gegenüber den zu erwartenden Mehrkosten beim Neubau (hohe Mieten und Nebenkosten) weitaus weniger belastet.

Fotos: Wolfgang Mall

Was würde sich für die Bewohner/Wiehre verändern, falls tatsächlich neu gebaut werden würde und es möglich wäre in die Neubauten wieder einzuziehen?

Neben den Erneuerungen der Bausubstanz und den Veränderungen in den Standards, (die auch negative Begleiterscheinungen mitbringen, s.o.) würde der Mietpreis, der sich am Markt orientieren würde, sowie die momentan üblichen Nebenkosten, für sozial schwächere Menschen eine Rückkehr in die Wiehre unmöglich machen. Damit würde sich die Gesellschaftsstruktur, die soziale Durchmischung verändern und der Standort für Besserverdienende reserviert.

Möglichkeiten

Das Areal mit den Gebäuden um die Adalbert Stifterstraße und die Quäkerstraße, trägt die Handschrift einer gewissen Zeitepoche und ist in ihrer Zusammenstellung einzigartig in Freiburg. Die zur Verfügung gestellten Wohnungen sind einfach strukturiert und ausgestattet. Sie boten von Anfang an Wohnraum für einfache Menschen, die sich nichts anderes leisten konnten bzw. auch mit den Gegebenheiten zufrieden waren. Die Häuser sind in ihrer Anordnung ein wichtiger Bestandteil der städtebaulichen Situation für die angrenzenden Gebäude, Einrichtungen und Freiflächen in Freiburg Wiehre. Gerade der alte Bahnhof, der in seinem Angebot einen wichtigen Beitrag zur Verknüpfung unterschiedlicher Kulturen und Gesellschaftsschichten zur Verfügung stellt, wird durch die Bewohner getragen und gestärkt. Die Anordnung der Wohnhäuser mit den zahlreichen Innenhöfen, die zur Erholung, zur Begegnung, aber auch für einfache Dinge, wie dem Wäscheauf-hängen genutzt werden, bieten Raum für ein Miteinander, welches bei heutigen Mehrfamilienhäusern durch Sichtschutzwände und Abgrenzungen unterbunden ist. Die Siedlung ist daher nicht nur aufgrund der besonderen typischen Bauweise, sondern auch zur Erhaltung der Qualität der Grünbereiche, sowie den Möglichkeiten des Zusammenlebens unterschiedlicher sozialer Schichten schützenswert.
Es werden verschiedene denkmalrechtliche Gesichtspunkte erfüllt, so dass die Gebäude mit dem Auftrag an die zuständige Denkmalbehörde geschützt werden sollten.

Verantwortung der Politik

Die Politik trägt bezüglich der Erhaltung und Entwicklung der Stadt und insbesondere dieses Gebietes eine besondere Verantwortung. Eine große Anzahl von Menschen sieht ihren Lebensraum durch die Entwicklungen bedroht und fürchtet darum ihn verlassen zu müssen. Darunter Familien mit Kindern, die in dem Gefüge aufgewachsen und integrieret sind, Alleinerziehende, die versuchen ihre Kinder durchzubringen, ältere Menschen, die über Jahrzehnte dort eine Heimat haben.
Es geht darum zu erfahren, was den Verantwortlichen an den Menschen liegt, die hier leben. Ob diese Menschen vertrieben werden und für wen diese Maßnahme und Planungen umgesetzt werden. Wer hat den finanziellen Vorteil von dieser Entwicklung und wem sagt die Politik ihre Unterstützung zu?

Bürger und Bewohner

Die Bürger und Bewohner sind, sofern es in ihrem Interesse ist in den Häusern zu verbleiben, aufgefordert, auf ihre Lebenssituation aufmerksam zu machen, sich zu solidarisieren und für den Erhalt der Siedlung einzustehen. Es kann nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit angesprochen wird und wenn die Probleme und Folgen öffentlich gemacht werden und sich die Bewohner gemeinschaftlich einsetzen.

Dafür viel Erfolg!

aufgestellt Sept. 2017
Markus Steiger
Dipl.Ing.FH


Das Quartier auf Google map


Das Quartier (open street map).

Nicht alle hier ersichtlichen Häuser gehören zum Bestand des Familienheims.

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